Ketamin
zur Behandlung der Fibromyalgie
1. Krankheitsbild
Die Fibromyalgie, in Deutschland auch als Weichteilrheumatismus
bezeichnet, geht mit Schmerzen im Bereich von Muskel und Sehnenansätzen sowie
mit diversen Begleitsymptomen wie Müdigkeit und Steifigkeitsgefühl
einher.
Charakteristisch ist die erhöhte Druckempfindlichkeit der
Sehnenansätze. Auch soll die Nozizeption im
Ganzen verstärkt sein. Laborbefunde und Röntgenaufnahmen der Gelenke sind
unauffällig. Entgegen der mißverständlichen Bezeichnung Weichteilrheumatismus
kommt es niemals zu Gelenkdestruktionen.
Die
Krankheit befällt vorwiegend Frauen im mittleren Lebensalter und nimmt häufig
einen chronischen Verlauf.
1.1 Diagnosekriterien nach Yunus 1983
1. Obligate Kriterien:
a.) Schmerzen oder Steifigkeitsgefühl in drei oder
mehreren anatomischen Regionen seit mindestens 3 Monaten
b.) Fehlen
sekundärer Ursachen (z.B. Trauma, rheumatische
Erkrankung, infektiöse Athropathien
oder pathologische
Laborwerte)
2. Hauptkriterien:
Fünf oder mehr charakteristische Schmerzpunkte.
3. Nebenkriterien:
Veränderung der Beschwerden durch
Bewegung
Veränderung durch Bewegung
Verstärkung der Symptome durch Angst
und Streß
Schlafstörung
allgemeine Ermüdbarkeit
Angst
chronische
Kopfschmerzen
funktionelle Bauchbeschwerden
subjektive
Gelenkschwellung
kribbelnde Mißempfindungen, die sich keinem Nerven oder
Dermatom zuordnen lassen
Zur Stellung der Diagnose müssen beide obligaten Kriterien positiv sein, verbunden mit einem Haupt- und drei Nebenkriterien oder fünf Nebenkriterien.
1.2 Epidemiologie
Es sind vorwiegend Frauen betroffen. Die Erkrankung beginnt meistens im vierten Lebensjahrzehnt. Unter Berücksichtigung leichterer Krankheitsverläufe wird gelegentlich eine Häufigkeit von 2% in der Bevölkerung angegeben.
2. Ätiologie
Die Ätiologie der Erkrankung ist noch nicht vollständig geklärt.
Vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Neuere Studien geben den Hinweis
auf einen zentralen Mechanismus. (Graven-Nielsen 2000
, Sorensen 1997).
Eine Sensibilisierung z. B. im Rahmen einer Verletzung hat möglicherweise
eine dauerhafte Erniedrigung der Schmerzschwelle zur Folge. Hinzu kommen psychische
Faktoren, die den Kreislauf aus Schmerz und Verspannung verstärken. Eine
Autoimmungenese wie bei klassischen Gelenkrheuma wird heute eher als unwahrscheinlich
angesehen.
3. Therapie
Die Therapie der Fibromyalgie gestaltet sich als äußerst kompliziert. Einerseits
ist die Genese der Erkrankung noch nicht vollständig geklärt andererseits wird
die Erkrankung oft erst nach vielen Jahren diagnostiziert. Aufgrund der Vielzahl
der Beschwerden werden Ärzte verschiedener Fachrichtungen aufgesucht. Die
Entwicklung eines einheitlichen Therapiekonzeptes wird dadurch sehr erschwert.
So werden aufgrund der Bauchbeschwerden immer wieder Internisten, Chirurgen
und Gynäkologen konsultiert. Fast jeder Patient mit einer Fibromyalgie
hat bereits eine Magenspiegelung hinter sich oder ist unter dem Verdacht eines
akuten Blinddarmes oder einer Hernie operiert worden. Viele Frauen haben eine
Entfernung der Gebärmutter hinter sich, bevor die richtige Diagnose gestellt
wird.
Der lange Leidensweg bleibt nicht ohne Folgen. Die wiederholt durchgeführten
diagnostischen Maßnahmen und Operationen führen zu einer weiteren Chronifizierung
und häufig auch zu einer weiteren Schmerzverstärkung.
Zudem bergen die Eingriffe erheblich Risiken. So können wiederholte Bauchspiegelungen
und Operationen zu narbigen Verwachsungen der Darmschlingen führen, die im Extremfall
einen Darmverschluß zur Folge haben können.
Eine unserer Patientinnen ließ sich sogar eine harmlose Zyste zwischen Lunge
und Brustwirbelsäule entfernen, in der Hoffnung, ihre Beschwerden würden dann
verschwinden. Diesen äußerst risikoreichen Eingriff überstand sie zwar recht
gut, litt jedoch im Anschluß daran unter zusätzlichen Narbenschmerzen und Schmerzen
aufgrund der Rippenblockierungen nach der Thorakotomie ( Eröffnung des
Brustkorbes).
Damit eine Therapie greifen kann, ist eine Abstimmung des Vorgehens mit allen
behandelnden Ärzten notwendig. Ferner müssen die Patienten genau über die Art
ihrer Erkrankung aufgeklärt werden, um die Arzt-Patienten-Beziehung soweit zu
festigen, daß eine langfristige und tragfähige Beziehung entsteht.
Insbesondere müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden, daß die Therapie
nur langfristig Erfolge zeigt und eine hundertprozentige Schmerzfreiheit kaum
erreicht werden kann.
3.1 Analgetika
3.1.1 nichtsteroidale Antirheumatika
Zu dieser Gruppe zählen Medikamente wie das Ibuprofen, Acetylsalicylsäure,
Diclofenac, Indometacin. Leider sind die meisten Analgetika aus dieser Gruppe
bei der Fibromyalgie nur von einem bescheidenem Nutzen. Demgegenüber steht
das recht hohe Risiko der Entwicklung von Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren
bei dauerhafter Anwendung.
3.1.2 Opioide und Opiate
3.2 Ketamin und andere NMDA-Rezeptorantagonisten
Ketamin ist bei uns unter dem Namen Ketanest S® im Handel. Das Medikament
ist ein seit langem erprobtes Narkosemedikament. Vorteile des Präparates
sind die erhaltenden Schutzreflexe unter der Narkose. In geringerer Dosierung
wirkt Ketamin auch bei erhaltenem Bewußtsein analgetisch, d.h. schmerzreduzierend.
In höherer Dosierung kommt es zu einer Art Bewußtseinsverlust, wobei
in dieser Phase äußerst unangenehme Alpträume auftreten können.
Diese Alpträume haben der Verbreitung desansonsten sicheren Präparates
Grenzen gesetzt.
Zur Therapie der Fibromyalgie verwenden wir Ketamin in in Form einer Infusion
über ein bis zwei Stunden in einer relativ geringen Dosierung. Das Bewußtsein
bleibt erhalten. Auf die Gabe von den ansonst üblichen Zusatzmedikationen
wie z. B. Dormicum® oder Valium® verzichten wir u. a. aufgrund der Gefahr
einer Gewöhnung. Nebenwirkungen wie Schwindel und Taubheitsgefühl
der Haut treten fast immer als unerwünschte Nebenwirkung während der
Infusion auf. Diese Begleiterscheinungen verschwinden unserer Erfahrung nach
jedoch innerhalb von 30 Minuten nach Infusionsende. Regelmäßig beobachten
wir einen Blutdruckanstieg von 10- 20 mmHg systolisch, wobei sich die Werte
ebenfalls innerhalb von 30 Minuten nach Infusionsende stabilisieren. Sehr selten
kommt es während der Infusion zu Übelkeit oder Kopfschmerz, was sich
durch Dosisanpassung vermeiden läßt.
Unserer Erfahrung nach hält die Schmerzreduktion drei bis fünf Tage
nach der Therapie an, obwohl in dieser Zeit das Ketamin bereits vollständig
vom Körper abgebaut wurde.
Die Wirkung wird vermutlich über einen zentralen Mechanismus vermittelt.
Ketamin greift an den sogenannten NMDA-Rezeptoren an, von denen man annimmt,
daß sie bei der Sensibilisierung eine Rolle spielen. Es scheint es so
zu sein, daß die Schmerzschwelle, die bei Fibromyalgiepatienten insgesamt
erniedrigt ist, heraufgesetzt wird. Ziel der Therapie ist es durch eine Reihe
von Infusionen, diese Schmerzschwelle dauerhaft heraufzusetzten.
Insgesamt sprechen etwa 3/4 aller Fibromyalgiepatienten auf die Therapie an.
Ob sich damit ein langfristiger, vielleicht sogar über Jahre anhaltender
Erfolg erreichen läßt, bleibt abzuwarten.
3.3 Antidepressiva
3.3.1 trizyklische Antidepressiva
Ein bekanntes Präparat ist das Saroten®, Inhaltsstoff Amitryptilin.
Das Präparat fördert bei abendlicher Einnahme den bei allen Fibromyalgiepatienten
gestörten Nachtschlaft.
Wie bei allen anderen chronischen Schmerzzuständen hat Amitryptilin einen
schmerzdistanzierenden Effekt und wird daher gerne als Co-Analgetikum verwendet.
Unserer Erfahrung nach ist der Nutzen von Amitryptilin bei der Fibromyalgie
ohne die Gabe weiterer Medikamente eher bescheiden.
3.3.2 Serotoninreuptakehemmer z.B. Fluctin®
Die Serotoninreuptakehemmer zählen zu den neueren und auch zu den teueren
Antidepressiva. Im Gegensatz zu den sogenannten trizyklischen Antidepressiva
machen sie nicht müde, führen zu keiner Gewichtszunahme und verursachen
keine Mundtrockenheit. Für sich alleine genommen sind diese neuen Antidepressiva
bei der Fibromyalgie kaum wirksam, in Kombination jedoch kann man oft eine Besserung
des Krankheitsbildes erzielen. Aufgrund der Interaktion zwischen trizyklischen Antidepressiva und den Serotoninwiederaufnahmehemmern an den Enzymen der Cytochromgruppe in der Leber kann es zur Wirkungsverstärkung kommen. Besonders bei Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens ist Vorsicht geboten.
3.4 Muskelrelaxantien
3.41. Flupirtin (z. B. Katadolon)
3.4.2 Benzodiazepine (z. B. Musaril)
3.4.2 Tolperison (z. B. Mydocalm)
3.5 Botulinumtoxin
Botulinuntoxin, Handelsnamen Botox®
und Dysport® scheinen bei der Fibromyalgie unwirksam zu sein.
3.6 "Stretch and spray"
3.7 Autogenes Training/ Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
3.8 Psychotherapie
3.9 Hypnose
Letztes Update 26.09.2001