Rückenschmerzen

Rückenschmerzen gehören in einer schmerztherapeutisch ausgerichteten Einrichtung zu den häufigsten Erkrankungen. Sie machen ca. 60 % aller Behandlungsfälle aus. Am häufigsten leiden die Patienten unter Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule. Obwohl Rückenschmerzen zu den am meisten geklagten Beschwerden in einer schmerztherapeutischen Einrichtung gehören, ist ihre Ursache häufig unklar.

Man sollte insgesamt drei Formen des Rückenschmerzes unterscheiden:

Diese Differenzierungen sind von enormer Wichtigkeit.
Entgegen der weitläufigen Meinung sind weder Bandscheibenvorfälle noch sogenannte „Abnutzung“ zwingende Ursache für den Rückenschmerz. Röntgenaufnahmen, CT-Untersuchungen u. ä. sind für Abklärung eines Rückenschmerzes nur von begrenztem Wert. Vielfach wird im Rahmen einer Untersuchung ein Bandscheibenvorfall nachgewiesen, bei dem es sich aber lediglich um einen Zufallsbefund handelt, der in keinem Zusammenhang mit dem Schmerzgeschehen steht. An erster Stelle der Diagnostik des chronischen Rückenschmerzes steht daher immer die klinische Untersuchung, und nicht eine Röntgenaufnahme. Insbesondere muß immer zwischen einem radikulärem Schmerzbild und einem nicht radikulären Schmerzbild unterschieden werden. Nur wenn die neurologische Untersuchung auf die Affektion einer Nervenwurzel schließen läßt, ist ein CT zum Nachweis eines Bandscheibenvorfalles indiziert. Sollte es sich bei den Beschwerden des Patienten um ein sogenanntes pseudoradikuläres Schmerzbild handeln, ist eher eine funktionelle, z. B. manualtherapeutische, Untersuchung indiziert.
Viele Röntgenuntersuchungen sind überflüssig. Auch beim Gesunden wird auf einer Röntgenaufnahme fast immer ein pathologischer Befund zu erheben sein. Der Befund einer Spondylarthrose wird wohl bei fast jedem von uns zu finden sein, ohne daß wir deshalb Beschwerden hätten. Bei einem Rückenschmerzpatienten fördern diese Zufallsbefunde aber in fataler Weise die Chronifizierung. „Das ist ja kein Wunder, daß ich Schmerzen habe bei der Abnutzung, die man bei mir festgestellt hat.“ ist ein Satz, den man vielfach in der Praxis hört.
Der Patient hat so überhaupt nicht mehr die Erwartung, schmerzfrei werden zu können. Das gleiche gilt für die häufig zu findenden Bandscheibenvorfälle.

Diagnostik ohne entsprechende Indikation führt zur Chronifizierung des Schmerzbildes!

Rückenschmerzen mit Pseudoradikulärem Schmerzbild

Diese Form stellt mit Abstand das häugfiste Schmerzbild dar. Die Diagnose einer "Lumbago" umfaßt in der Regel diese Form des Rückenschmerzes. Die Schmerzen gehen von der Lumbal- oder Sakralregion aus und strahlen in das Bein aus. Die Schmerzen reich jedoch in der Regel nicht in den Fuß hinein. Es bestehen keine Sensibilitätsstörungen und keine Paresen. Ursache der Schmerzen sind muskulärer oder statischer Art. Eine Blokierung des ISG, eine Blockierung eines Wirbelköprers der LWS oder eine Verspannung des M. Piriformis können die Ursachen sein. Manualtherapeutische Techniken oder therapeutische Lokalinjektionen sind hierbei wirksam. Als Analgetika werden bevorzugt nichtsteroidale Antirheumatika wie z. B. Diclofenac verabreicht.
Ein CT ist hierbei nicht indiziert.

Rückenschmerzen mit radikulärem Schmerzbild

Ursachen hierfür können sein:

Die Schmerzen strahlen von der Lumbalregion in das Bein oft bis in den Fuß aus. Es können Sensibilitästörungen und Paresen bestehen. Die Kribbelparästhesien belästigen den Patienten manchmal schwerer als die Schmerzen selbst und sind durch Analgetika kaum zu beeinflussen. In schweren Fällen kann auch eine Inkontinentia uri sive alvi bestehen.
Ursache dieses Schmerzbildes ist am häufigsten ein Prolaps oft in der Höhe L4/L5 oder L5/S1. Eine Untersuchung im CT ist indiziert. Bei Nachweis eines Prolaps muß sorgfältig geprüft werden, ob die Höhenlokalisation mit den neurologischen Ausfälen übereinstimmt. Ist dies der Fall, besteht eine Operationsindikation. Bei Paresen oder Inkontinenz ist diese Indikation dringlich. Eine Operation sollte innerhalb von 24 Stunden erfolgen.
Falls eine Operation nicht indiziert oder nicht durchführbar ist, sollte eine Stufenbettlagerung erfolgen.
In sehr seltenen Fällen ist die Ursache von radikulären Schmerzen eine Rakikulitis z. B. im Rahmen einer Borrelliose. In diesem Fall sollte versucht werden, die Ursache zu finden, um so ggf. eine spezifische Therapie einleiten zu können.
Sehr selten sind auch radikuläre Schmerzen bei Bedrängung der Nervenwurzel durch einen Tumor. Hierbei kann es sich sowohl um bösartige Tumoren (Ca im kleinen Becken ausgehend von Uterus, Ovarien, oder Prostata) als auch um benige Tumoren wie z. B. ein intraspinales Lipom handeln. Oft sind in diesen Fällen nicht nur eine Wurzel betroffen sondern der gesamte Plexus oder die Höhenlokalisation ist äußerst ungewöhlich, d. h. oberhalb der Wurzel L4.

Rückenschmerzen mit anderem pathologischem Korrelat

Hierbei sind zu unterscheiden:

Zu den Schmerzbildern mit entzündlich ossärer Genese gehören Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wie z. B. der M. Bechterew. Schmerzen bestehen hier in der Regel besonders im Bereich der BWS, der Ileosakralfugen sowie im Bereich der Fersen. Die einfache Röntgenaufnahme mit dem Nachweis entsprechender Veränderungen, die Bestimmung von Entzündungsparametern sowie der Nachweis von HLA B27 sichern die Diagnose. Die Therapie besteht in der Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika sowie Gymnastik zur Erhaltung der Beweglichkeit.
Sehr selten in der heutigen Zeit ist eine Spondylodiscitis auf der Basis einer Tuberkulose.

Zu den Schmerzbildern mit strukturell ossärer Genese ist an erster Stelle die Osteoporose zu nennen. Am häufigseten betroffen sind hierbei Frauen im fortgeschrittenen Lebensalter. Häufig besteht eine verstärkt Kyphosierung der BWS, die Wirbelsäule ist diffus klopfemfindlich. Die Patientinnen geben an, kleiner geworden zu sein. Die Hautfalten auf dem Rücken können in schweren Fällen ein Tannenbaummuster aufweisen.
Die Röntgenaufnahme zeigt eine Rarefizierung des Trabekelmusters sowie ggf. eine Höhenminderung der Wirbelkörper und eine Deformation. Ein neurologisches Defizit tritt in der Regel nicht auf.
Schmerzen können akut bei Spontanfrakturen zunehmen. Die Therapie erfogt spezifisch für die Osteoporose ( Calciumgabe, Biphosphonate, Vitamin D). Bei Spontanfrakturen hat sich die Gabe von Calcitonin bewährt was zu einer schnellen Schmerzreduktion führt.
Sehr selten können in der Regel maligne Tumoren zu diesem Schmerzbild führen. In der Regel ist ein Krebsleiden bekannt. Es besteht eine lokale Klopfempfindlichkeit. Ein neurologisches Defizit kann auftreten. In der Röntgenaufnahme findet man osteolytische Metastasen. Osteoblastische Metastasen machen sind seltener und führen anscheinend auch seltener zu Schmerzen. Die Bestimmung von Tumormarkern und der alkalischen Phosphatase ergänzen die Diagnostik. Bei Instabilität eines Wirbelkörpers oder neurologischer Symptomatik besteht je nach Verfassung des Patienten eine sofortige OP-Indikation. Ist die Indikation nicht gegeben, können Radiatio oder die Gabe von Aredia® oder Biphosphonaten eine gute Besserung erbringen. Auch Steroide können durch Verringerung des den Tumor umgebenden Ödems zumindest kurzfristig von Nutzem sein.

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© Cora Neugebauer 13.03.2000